Obwohl wir in Bayern gerne behaupten in Digitalfragen gut aufgestellt zu sein, zeigt die Coronakrise schonungslos und ungeschönt wo Bayern der modernen Welt meilenweit hinterherhinkt. Die bayerischen Probleme beim pandemiebedingten Homeschooling dürften zumindest allen Eltern ein Begriff sein. Aber wie sieht es mit der öffentlichen Verwaltung aus?
Nicht gut. So untersagt es zum Beispiel die Bayerische Gemeindeordnung nach wie vor Stadträt*innen zu Stadtratssitzungen oder Senatssitzungen per Videokonferenz hinzuzuschalten. Ein Vorgehen das im Leben außerhalb des Stadtrates – auch bei wichtigen Entscheidungsprozessen – längst gang und gäbe ist. Ohne Corona ist dies großes ein Ärgernis, da es zum Beispiel Berufstätigen, die auswärts tätig sein müssen, die Mitarbeit in diesem Ehrenamt unnötig erschwert. Der Stadtrat, ein Gremium vor allem für Rentner*innen, Hausfrauen und Hausmänner?
In Zeiten einer Pandemie kann diese völlig veraltete Gesetzgebung aber noch viel schwerwiegendere Auswirkungen haben. Mehr als 2000 bayerische Städte und Gemeinden stehen in den nächsten Wochen vor Herausforderung einen vernünftigen Haushalt aufzustellen. Coronabedingt ohnehin eine nahezu unlösbare Aufgabe. Es war seit Monaten absehbar, dass eine zweite Welle kommen wird. Und nun droht den Städten und Gemeinden die Handlungsunfähigkeit wenn Stadträt*innen krank werden, in Quarantäne gehen oder Sitzungen aus Coronagründen schlicht abgesagt werden müssen.
Dies müsste nicht sein. Eine einfache Videokonferenz würde das Problem lösen. Baden-Württemberg hat diesbezüglich zum Beispiel schon längst reagiert. Bayern? Schläft!
Versagen der Landespolitik
Im bayerischen Landtag gab es im April zumindest einen ersten Vorstoß es zu ermöglichen Stadträt*innen zu Sitzungen per Video oder Audio hinzuzuschalten. Aber die bayerischen Landespolitiker verhindern dies. (siehe hierzu Drucksache 18/7251 und die dazugehörenden Lesungen im Landtag).
Stattdessen beschränkt sich das Bayerische Staatministerium des Innern darauf auf die Tatsache Hinzuweisen, dass Sitzungen kommunaler Gremien keine Veranstaltungen sind (also stattfinden dürfen). Außerdem sollen sie, im Sinne der Erhaltung der Entscheidungsfähigkeit, auf ein Mindestmaß beschränkt werden. Davon abgesehen hätten die Bürgermeister selbstverständlich alle notwendigen Befugnisse dringliche Anordnungen im Eilverfahren zu erlassen. Wenn wir nicht aufpassen bleibt hier am Ende die Demokratie auf der Strecke.
Die Pandemie wütet nun schon seit fast einem Jahr. Schon im Frühjahr war abzusehen, dass eine zweite Welle droht. Aber die 2. Lesung im Landtag zu diesem Thema wirkte ganz so als ob wir noch Jahre Zeit hätten dieses Problem zu lösen.
Bamberg ist bereit
Bamberg ist dazu bereit. Zu Beginn der neuen Amtsperiode wurden alle Stadträt*innen mit leitungsfähigen Dienst-Tablets ausgestattet. Der Sitzungsbetrieb läuft inzwischen weitgehend papierlos. Die notwendige Hardware ist da um auch online Entscheidungen zu treffen – alleine – wir dürfen es nicht.
Diese Pandemie legt schonungslos offen wo Politik versagt. Auch in Bayern. Wenn unsere bayerischen Städte und Gemeinden in den nächsten Wochen und Monaten handlungsunfähig werden sollten liegt dies alleine in der Verantwortung der bayerischen Staatsregierung und der Landespolitiker, die zehn Monate Zeit hatten die notwendigen Schritte einzuleiten. Wir können es uns nicht leisten, dass noch einmal wochenlang keine Sitzungen stattfinden.
Online-Streams für Zuschauer einrichten
Und was ist mit den Besuchern der Stadtrats- und Senatssitzungen? Warum kann man die Sitzungen nicht einfach im Internet verfolgen? Warum sind Berufstätige, Gebrechliche, Pflegende, Eltern die sich um ihre Kinder kümmern müssen auch in coronafreien Zeiten von den Sitzungen quasi ausgeschlossen?
Diesbezüglich können wir uns allerdings nicht über die Landesregierung beschweren. Die Entscheidung darüber liegt alleine in der Hand des Stadtrates. In den vergangenen Jahren hatten sich die Bamberger Ratsherren und –frauen immer gegen eine solche Übertragung entschieden. Aber der Bamberger Stadtrat ist durch die letzte Wahl jünger und moderner geworden. Es hat sich eine breite Mehrheit hinter den Antrag von Volt gestellt dies in Zukunft zu ermöglichen. Zuvorderst die Fraktionsgemeinschaftskolleg*innen von Grünes Bamberg und ÖDP, aber auch die SPD, Bambergs Mitte, BaLi, Partei und die Freien Wähler. Ich würde mir wünschen, dass sich dieses Thema zusammen mit den anderen Parteien einstimmig lösen lässt um auch Bambergs Stadtrat in der Gegenwart ankommen zu lassen und für die Zukunft fit zu machen.
Anmerkung
Volt erachtet den Gesetzesentwurf der von der bayerischen FDP in den Landtag eingebracht unzureichend. Zum einen lehnen wir, wie andere Parteien auch, die Anwendung von Umlaufbeschlüssen in den Kommunen aus einer Vielzahl von Gründen ab. Vor allem aber springt der Gesetzesentwurf insofern zu kurz, als er die video- oder audiobasierte Teilnahme von Stadträt*innen in Stadtrats- oder Ausschusssitzungen lediglich auf Krisenzeiten beschränken will. Aus unserer Sicht zeigt die Coronakrise, wie in einem Brennglas, wo es Mängel gibt die dauerhaft zu beheben sind. Im Sinne einer modernen, effizienten und nachhaltigen Verwaltung (Stadträte sind Teil der Verwaltung) muss es den Rät*innen dauerhaft ermöglicht werden per Video stimmberechtigt an Sitzungen teilzunehmen ohne unsinnige Risiken, Reisen oder Verzögerungen im Verwaltungsablauf in Kauf nehmen zu müssen.