Das freie Theater im Gärtnerviertel Bamberg (TiG) wagt sich an einen modernen Klassiker: Mit ‚Kunst‘ von Yasmina Reza bringt das TiG ein intensives Drei-Personen-Stück auf die Bühne der Mediengruppe Oberfranken.
In präziser Sprache, mit großem Gespür für Timing und einer ausgefeilten Bildsprache erzählt die Inszenierung von zerbrechlicher Freundschaft, Meinungshoheit und der Frage: Was ist eigentlich Kunst?
Weiße Linien auf Weiß – der Beginn eines Streits
Ein Bild, ganz in Weiß, löst eine emotionale Lawine aus: Serge (Stephan Bach) hat ein modernes Kunstwerk gekauft – weiße Streifen auf weißem Grund, für viel Geld. Für seinen Freund Marc (Patrick L. Schmitz) ist es der Inbegriff von Größenwahn und Verblendung. Yvan (Benjamin Bochmann), der Dritte im Bunde, steht ratlos dazwischen. Was als Meinungsverschiedenheit über Kunst beginnt, entwickelt sich zu einem offenen Schlagabtausch über Weltbilder, Lebensentwürfe und die wahre Natur der Freundschaft. Das TiG bringt diesen Konflikt mit Tempo, Humor und Tiefe auf die Bühne.
Farben als Haltung – ein starkes Bühnenbild
Das Bühnenbild von Guido Apel ist mehr als Kulisse – es wird zum Bestandteil der Erzählung. Die Bühne orientiert sich an den klaren Formen und Farben Piet Mondrians und trennt die Charaktere visuell voneinander: Blau für Serge, Rot für Marc, Gelb für Yvan. Die Farben strukturieren den Raum, ohne ihn zu dominieren. Passend dazu greifen die Kostüme von Chrysenda Sailmann diese Symbolik auf. Dabei bleibt das Bühnenbild minimalistisch, wandelbar und fokussiert – je nach Szene verwandelt es sich in das jeweile Wohnzimmer der Figuren.
Ein Theater, das Räume schafft – TiG unterwegs in Bamberg
Das TiG – Theater im Gärtnerviertel Bamberg – ist bekannt für seine mobilen Inszenierungen. Seit seiner Gründung 2014 durch Regisseurin Nina Lorenz und Schauspieler Stephan Bach zieht das professionelle freie Theater ohne feste Spielstätte durch Bamberg. Es verwandelt alltägliche Orte in temporäre Bühnen – eine Stärke, die sich auch in dieser Produktion zeigt. Mit der Spielstätte in der Mediengruppe Oberfranken findet das TiG einen neutralen, wandelbaren Ort für ein Stück, das mehr Raum im Kopf braucht als auf der Bühne.
Scharfer Witz, starke Sprache
Yasmina Rezas Stück lebt von Dialogen, die messerscharf und punktgenau geschrieben sind. Die Schauspieler nutzen diese sprachliche Präzision mit viel Feingefühl – besonders Patrick L. Schmitz brilliert mit bissigem Humor und körperlicher Präsenz. Stephan Bach als stoischer Kunstliebhaber Serge wirkt ruhig, fast unnahbar – ein perfekter Gegenpol. Benjamin Bochmann, der als Yvan zugleich Vermittler, Opfer und Blitzableiter ist, schafft es, mit feinem Spiel und großer Komik ein emotionales Zentrum zu setzen. Besonders eindrucksvoll: Bochmanns berühmter Monolog über Hochzeitseinladungen, der von hektischer Nervosität über Trotz bis zur Verzweiflung reicht – und das Publikum zwischen Lachen und Mitleid schwanken lässt.
Musik zwischen den Zeilen
Für die musikalische Untermalung sorgt Volker Giesek, ehemaliger musikalischer Leiter am E.T.A.-Hoffmann-Theater. Seine zwölf eigens für das Stück komponierten Tonbilder begleiten die Szenen dezent, aber wirkungsvoll. Mal jazzig, mal melancholisch, fangen sie die emotionale Tiefe des Stücks ein und erweitern es um eine akustische Ebene. Die Musik läuft auch vor Beginn und in den Pausen und schafft so eine einheitliche Klangwelt, die das Publikum subtil auf das Kommende einstimmt.
Theater für heute – direkt und wirkungsvoll
Was ‚Kunst‚ in der Inszenierung des TiG so besonders macht, ist die Balance: Zwischen Wortwitz und emotionalem Ernst, zwischen formaler Ästhetik und menschlichem Chaos. Es geht um viel mehr als Kunst – es geht um Stolz, um Entfremdung, um die Angst, den anderen zu verlieren. Die Sprache ist dabei derb, direkt, aber nie plakativ. Rezas Text lebt von Subtext, von Brüchen und von dem, was unausgesprochen bleibt. Die Inszenierung von Gerald Leiß verzichtet auf Effekthascherei und vertraut dem Text – und den Darstellern. Eine kluge Entscheidung.
Weitere Aufführungstermine
Nach der Premiere am 26. April 2025 wird ‚Kunst‘ an folgenden Terminen nochmals aufgeführt – jeweils um 20:00 Uhr, Einlass ab 19:15 Uhr:
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8., 9., 10. Mai 2025
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15., 16., 17. Mai 2025
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22., 23., 24. Mai 2025
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28. Mai 2025
Gespielt wird im Haus der Mediengruppe Oberfranken, Gutenbergstraße 1, Bamberg, der Eintritt beläuft sich auf 27 € VVK / 28 € AK, 16 € VVK / 17 € AK für Studierende & Schüler.
Ein starkes Spiel in wechselnden Räumen
Mit ‚Kunst‘ beweist das TiG einmal mehr, dass starke Inszenierungen nicht von festen Mauern abhängen. Was zählt, sind Ideen, Leidenschaft – und ein Ensemble, das mit Spielwitz und Tiefe überzeugt. Diese Produktion zeigt, dass Theater auch im Wandel Kraft entfalten kann – wenn es mutig, klug und berührend gemacht ist.