Mit mehr als 1,2 Millionen Euro Fördergeldern erhält die Universität Bamberg einen der größten Drittmittelzuschüsse in den Geisteswissenschaften der letzten Jahre.
Das EU-finanzierte Horizon-Europe-Projekt ‚Storytelling as Pharmakon in Premodernity and Beyond‘ (StoryPharm) startete im Herbst 2024 offiziell und nimmt nun volle Fahrt auf. Vier Promotionsstellen in Bamberg sind bereits besetzt – die Nachwuchsforschenden werden in den kommenden Jahren untersuchen, wie historische Heilungsnarrative Impulse für die moderne Medizin liefern können.
Erzählen als Heilkunst
Die Grundidee von StoryPharm ist, dass Medizin in Antike und Mittelalter nicht nur aus Diagnostik und Medikamenten bestand, sondern eng mit Erzählungen verbunden war. Geschichten über Krankheit und Heilung dienten dazu, Leiden verständlich zu machen und Vertrauen zwischen Heilenden und Patienten aufzubauen. Projektleiterin Prof. em. Dr. Ingrid Bennewitz erklärt: „Wir verknüpfen heutige medizinische Herausforderungen mit den kulturellen Schätzen der Vergangenheit und rücken den ganzen Menschen wieder in den Mittelpunkt.“
Internationale Vernetzung als Erfolgsrezept
Das von der Universität Zypern koordinierte Projekt vereint ein starkes Konsortium: Neben Bamberg sind die Universitäten Lund, Salerno und Cardiff beteiligt, dazu Partner wie AVVA Pharmaceuticals, Dr. Pfleger Arzneimittel, der Verlag Walter de Gruyter, die Staatsbibliothek Bamberg, das Germanische Nationalmuseum und The David Collection in Dänemark. Insgesamt stehen für StoryPharm 4,1 Millionen Euro zur Verfügung. Die Initiative knüpft direkt an das erfolgreiche Horizon-2020-Projekt „Networks of Medieval Arts and Rituals“ (NetMAR) an, das bereits die Bedeutung internationaler Kooperationen für die Mediävistik aufgezeigt hat.
Ausbildung für die Zukunft
In Bamberg betreuen mehrere Professoren die Doktoranden in Themenfeldern wie kunsthistorische Analysen mittelalterlicher Heilpraktiken, literarische Studien zu heilkundigen Frauenfiguren oder kulturhistorische Arbeiten zu Krankheit und Heilung. Ziel ist eine fachlich exzellente, interdisziplinäre und interkulturelle Ausbildung, die die jungen Wissenschaftler: auch außerhalb der Universität qualifiziert.
Frauenbilder in der Heilkunst im Fokus
Ein Beispiel für die Forschungsprojekte ist die Arbeit von Alexandra Lembke-Ross, die die Rolle von Frauen in der Medizin untersucht. Ihr Promotionsprojekt beleuchtet Mythen um mittelalterliche Heilerinnen wie Hildegard von Bingen und zeigt auf, wie Frauen über Jahrhunderte trotz Marginalisierung medizinisches Wissen weitergegeben haben. „Mich begeistert an StoryPharm besonders die Idee, Erzählen als Methode für eine wirksame medizinische Praxis sichtbar zu machen“, erklärt Lembke-Ross.
Forschung mit gesellschaftlicher Relevanz
Für die Fellows stehen in den kommenden Monaten Seminare, Schulungen und Entsendungen an internationale Partneruniversitäten sowie Institutionen wie die Staatsbibliothek Bamberg oder Dr. Pfleger Arzneimittel auf dem Programm. Insgesamt entstehen 19 Dissertationen, die nicht nur wissenschaftlich fundiert sind, sondern auch einen Beitrag zu aktuellen Diskursen in Medizin, Kultur und Gesellschaft leisten sollen.
Mittelalterforschung mit Zukunftsblick
StoryPharm zeigt eindrucksvoll, dass Mittelalterforschung und moderne Gesundheitsfragen keine Gegensätze sind. Vielmehr eröffnet ihr Zusammenspiel neue Perspektiven auf Mensch und Medizin – von narrativen Heilungspraktiken bis hin zu einer patientenzentrierten Gesundheitskultur.