Ein internationales Team führender Forscherinnen, Forscher und klinischer Expertinnen und Experten der International Society for Traumatic Stress Studies (ISTSS) hat ein neues Briefing Paper veröffentlicht.
Mit dabei: Prof. Dr. Cedric Sachser von der Otto-Friedrich-Universität Bamberg, der als Erstautor maßgeblich an der Erstellung beteiligt war. Das Papier präsentiert konkrete Empfehlungen, wie der weltweite Zugang zu evidenzbasierten Psychotherapien für Kinder und Jugendliche mit traumatischen Erfahrungen verbessert werden kann.
Evidenzbasierte Hilfe ist vorhanden – aber oft nicht erreichbar
Prof. Sachser betont, dass wirksame Behandlungsmöglichkeiten für traumatisierte Kinder und Jugendliche längst existieren. Die größte Herausforderung liege jedoch darin, diese flächendeckend verfügbar zu machen. Ziel des Briefing Papers sei es daher, Politik, Wissenschaft und Gesundheitssystem stärker zu vernetzen, um Traumatherapieangebote künftig nicht nur punktuell, sondern regelhaft und zugänglich zu gestalten. „Wir wissen, dass es wirksame Behandlungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche mit Traumafolgestörungen gibt. Die Herausforderung besteht darin, diese auch flächendeckend für betroffene Kinder und Jugendliche zugänglich zu machen“, erklärt Sachser.
Besonders verletzliche Gruppen sind benachteiligt
Traumatische Erfahrungen im Kindesalter sind weit verbreitet – etwa durch Krieg, Misshandlung oder Vernachlässigung. Viele Kinder verarbeiten solche Belastungen selbstständig, doch eine erhebliche Zahl entwickelt langfristige psychische Beeinträchtigungen wie Angststörungen, Depressionen oder posttraumatische Belastungssymptome.
Besonders betroffen sind vulnerable Gruppen wie:
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Kinder und Jugendliche in der Jugendhilfe,
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Geflüchtete Minderjährige,
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sowie junge Menschen mit mehrfachen Belastungen.
Gerade diese Gruppen haben laut dem Forschungsteam kaum Zugang zu angemessener therapeutischer Unterstützung – trotz verfügbarer Behandlungsangebote.
Drei Schlüsselstrategien für besseren Zugang
Das Briefing Paper benennt zentrale Ansatzpunkte, um die psychotherapeutische Versorgung nachhaltig zu verbessern:
1. Aufklärung und Abbau von Mythen
Die Forschung zeigt, dass es hilfreich und heilsam ist, über traumatische Erfahrungen zu sprechen. Befürchtungen, therapeutische Gespräche könnten Kinder retraumatisieren, sind laut aktueller Evidenz unbegründet.
2. Anwendung bewährter Verfahren
Bereits heute existieren funktionierende Screeningverfahren zur Erkennung von Traumafolgestörungen sowie Therapieansätze, die posttraumatische Symptome und Begleiterkrankungen wie Depressionen nachweislich lindern können. Entscheidend sei, diese Verfahren konsequent in der Praxis anzuwenden.
3. Skalierbare und flexible Therapieangebote
Damit mehr Betroffene Hilfe erhalten, sollten Therapieformen skalierbar gestaltet werden – etwa durch Gruppenangebote oder digitale Formate. So kann die Reichweite erhöht werden, ohne dass die Qualität der Behandlung leidet.
Internationale Zusammenarbeit für bessere Versorgung
Die Präsidentin der ISTSS, Prof. Soraya Seedat, unterstreicht die globale Bedeutung des Projekts: „Die Briefing Papers der ISTSS sind ein zentraler Bestandteil unserer globalen Mission: allen Menschen, die nach traumatischen Erfahrungen leiden, Zugang zu qualitativ hochwertiger Versorgung zu ermöglichen.“ Sie dankt dem Autorenteam für die Erstellung eines klaren, praxisorientierten Leitfadens, der Entscheidungsträgern auf der ganzen Welt als Grundlage dienen kann. Das vollständige Briefing Paper ist online verfügbar unter: ISTSS Briefing Paper 2025 (PDF).
Forschung und Praxis enger verknüpfen
Prof. Sachser fordert, dass Forschung, klinische Praxis und Politik künftig noch stärker zusammenarbeiten. Einrichtungen, die sich um traumatisierte Kinder und Jugendliche kümmern, müssten besser vernetzt werden. Zudem sollten Familien und Betroffene befähigt werden, passende Hilfsangebote zu erkennen und wahrzunehmen. An der Universität Bamberg forscht Sachser mit seinem Team zu den Ursachen, der Diagnostik und Behandlung von Traumafolgestörungen sowie zur Stärkung von Resilienz im Kindes- und Jugendalter. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf minderjährigen Geflüchteten und Kindern in der Jugendhilfe, für die neue, evidenzbasierte Therapieformen entwickelt und verbreitet werden.
Perspektiven für die Zukunft
Das Briefing Paper zeigt: Der Weg zu einer besseren Versorgung traumatisierter Kinder und Jugendlicher ist klar umrissen – die Umsetzung liegt nun in der Verantwortung von Politik und Praxis. Mit einer stärkeren internationalen Zusammenarbeit und der konsequenten Nutzung vorhandener wissenschaftlicher Erkenntnisse kann die psychische Gesundheit junger Menschen nachhaltig gestärkt werden.